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Besondere Merkmale im Produktentstehungsprozess: So sorgen Sie für sichere und fehlerfreie Produkte

Zwei Qualitätsmanager erstellen an einem Laptop einen Workflow

Hat ein Produkt Mängel und Fehler, haftet der Hersteller für Schäden. Gleichzeitig gibt es von gesetzlicher Seite hohe Auflagen und Vorgaben. Fehlerprävention ist deshalb für den Qualitätsprozess und den Erfolg eines Unternehmens von elementarer Bedeutung. Der Fokus liegt dabei auf „Besonderen Merkmalen“, die für das Produkt und den Prozess besonders relevant und damit kritisch sein können: Parameter, die hier nicht eingehalten werden, führen beispielsweise zu sicherheitsrelevanten Mängeln und Fehlfunktionen, mindern die Passform, Leistung und Weiterverarbeitung eines Produkts oder halten behördliche Vorschriften nicht ein.

Besondere Merkmale erfordern also eine besondere Aufmerksamkeit. Unternehmen müssen deshalb frühzeitig erkennen, welche Merkmale ihres jeweiligen Produkts besonders sind, um diese durch den gesamten Konstruktions- und Fertigungsprozess mit abgestimmten Maßnahmen zu begleiten.

Wie Sie dabei am besten vorgehen, welche Rolle der Standard der VDA-Richtlinie spielt und wie Sie dabei CAQ-Software unterstützen kann, erfahren Sie in diesem Blogartikel.

Wie können Sie Besondere Merkmale identifizieren?

Bis ein Produkt in Serie gehen kann, hat es zahlreiche Prüfungen hinter sich. Angefangen beim Konzept bis hin zum versandbereiten Produkt: Auf jeder Stufe des Herstellungsprozesses müssen Besondere Merkmale identifiziert und ihre Einhaltung sichergestellt werden. Eine Methode zur Prävention von Fehlern ist die Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA). Doch auch Erfahrungen und Erkenntnisse aus vorherigen Projekten, aus Gefährdungsanalysen und Risikoabschätzungen, das Wissen von Experten sowie gesetzlich oder behördlich vorgeschriebene Vorgaben können für Sie bei der Festlegung Besonderer Merkmale hilfreich sein.

Bei Automobilherstellern und Zulieferfirmen spielen Besondere Merkmale traditionell eine besonders wichtige Rolle. Dies schlägt sich auch in Normen und Standards nieder, wie zum Beispiel:

  • Die internationale Arbeitsgruppe IATF, in der Autohersteller wie BMW, Daimler, General Motors, Renault und VW vertreten sind, hat die Norm IATF 16949 entwickelt, einen Standard für ihre Qualitätsmanagementsysteme.
  • Der Verband der Automobilindustrie (VDA) hat mit der VDA-Richtlinie zu Besonderen Merkmalen einen eigenen Branchenstandard veröffentlicht, der regelmäßig aktualisiert wird.
    Ergänzend dazu legen Unternehmen auch eigene Richtlinien fest, um Besondere Merkmale zu kennzeichnen und zu klassifizieren.

Nachfolgend stellen wir Ihnen die VDA-Richtlinie zu Besonderen Merkmalen vor, die als Standard für den deutschen Automobilmarkt gilt.

Besondere Merkmale laut VDA-Richtlinie – drei Kategorien

Laut VDA-Richtlinie lassen sich Besondere Merkmale wie folgt ermitteln, klassifizieren und dokumentieren. Dabei unterteilt der VDA Besondere Merkmale in drei Kategorien, die nicht über bereits bestehende Prozesse geregelt sind:

  1. BM S: Sicherheitsanforderung, Produktsicherheit und Sicherheitsrelevante Folgen.
    Hierzu zählen beispielsweise Kriterien wie der Ausfall der Bremsen, der Ausfall der Lenkung, der Austritt von Betriebsstoffen, die eine Brandgefahr darstellen oder das Lösen eines Anhängers und von Ladegut.
  2. BM Z: Zulassungsrelevante gesetzliche und behördliche Vorgaben zur Zeit des Inverkehrbringens des Produkts.
    Hierunter fallen Kriterien wie zulassungsrelevante Scheinwerfer, die Einhaltung gesetzlich vorgeschriebener Emissionswerte oder Vorgaben hinsichtlich Recycling und Gewährleistung.
  3. BM F: Forderungen und Funktionen
    Kriterien hierfür sind wesentliche funktionelle Forderungen wie Form und Toleranzen.

Besondere Merkmale sicher erkennen: Das vierstufige Filterkonzept des VDA

In jeder Stufe eines Produktionsprozesses gibt es Besondere Merkmale, die zu gravierenden Fehlern und Mängeln führen können. Um herauszufinden, welche der vielen Funktionen und Merkmale hinsichtlich der drei oben genannten Kategorien Risiken enthalten, hat der VDA einen vierstufigen Filter für die Produkt- und Prozessentwicklung festgelegt:

  1. Konzeptfilter
  2. Konstruktionsfilter
  3. Produktionsplanungsfilter
  4. Produktionsprozessfilter

Anhand vorhandener Quellen und Erkenntnisse können Sie in jeder Stufe kritische Merkmale herausfiltern und überprüfen, durch welche Maßnahmen Sie diese absichern können. Ist das nicht möglich, müssen Sie versuchen, das Produkt oder den Prozess anzupassen. Anschließend durchläuft das Besondere Merkmal den Filter erneut. Gelingt die Absicherung nicht, müssen Sie das Merkmal an den nächsten Filter weitergeben.

So ermitteln Sie in den jeweiligen Filtern Besondere Merkmale:

1. Konzeptfilter für die Produktentwicklung

Bereits bei der Ausarbeitung eines Konzepts sollten Sie alle relevanten Funktionen und Anforderungen an ein Produkt bedenken und kennen. Dabei können auch Erfahrungen mit und Erkenntnisse aus Vorgängerprojekten hilfreich sein. Alle Besonderen Merkmale, die Risiken der Kategorien BM S, BM Z oder BM F enthalten, fließen in den Konzeptfilter ein.

Sind die ermittelten Besonderen Merkmale beispielsweise durch Fehlertoleranzen konzeptionell abgesichert, müssen Sie sie nicht weiterverfolgen. Ist dies nicht der Fall, können Sie das Konzept anpassen. Sollte das nicht möglich sein, müssen Sie die Besonderen Merkmale im Konstruktionsfilter näher betrachten und hier nach Lösungen suchen. Ausnahme: Besondere Merkmale, die der Kunden vorgibt, sowie gesetzliche Vorgaben, werden ohne Filterung direkt übernommen.

2. Konstruktionsfilter für die Produktentwicklung

Auch in dieser Stufe gilt: Welche Besonderen Merkmale laut den Kategorien Sicherheit, Zulassung und Funktion sind relevant? Welche Erkenntnisse müssen den Konstruktionsfilter für die Produktentwicklung durchlaufen? Analog zur Vorgehensweise der ersten Stufe müssen Sie hier überprüfen, ob die Konstruktion abgesichert ist. Wie robust ist das Produktdesign? Können Sie durch Änderungen Besondere Merkmale ausschließen und so für Qualitätssicherung sorgen? Gewährleistet auch eine Konstruktionsänderung keine Absicherung, müssen die Besonderen Merkmale technisch dokumentiert und in der Produktionsplanung weiterverfolgt werden.

3. Produktionsplanungsfilter für die Prozessentwicklung

In dieser Stufe führen Sie Machbarkeits- und Prüfbarkeitsanalysen sowie Risikoanalysen durch und erstellen Produktionspläne und wenden Ihr Prüfkonzept an. Dabei analysieren Sie jeweils auch die Besonderen Merkmale aus dem Entwicklungsprozess und dokumentieren diese im Produktionslenkungsplan der Vorserie. Können Sie nicht garantieren, dass die identifizierten Besondere Merkmale abgesichert sind, müssen sie in den Produktionsprozessfilter der vierten und letzten Stufe übernommen werden.

4. Produktionsprozessfilter für die Prozessentwicklung

Aus der Prüfplanung können sich weitere Besondere Merkmale im Prozess ergeben. Zentrale Frage im Produktionsfilter ist: Ist der Produktionsprozess robust genug, um Besondere Merkmale absichern zu können? Manche Merkmale sind in der Herstellung oder in Bezug auf Materialeigenschaften sehr empfindlich, sodass zulässige Fehlertoleranzen nur mit großem Aufwand eingehalten werden können. In diesem Fall müssen Sie für eine besondere Prozesslenkung und für spezielle Prüf- sowie Überwachungsmethoden sorgen.

Vorteils-Check: Warum ist es für Unternehmen so wichtig, Besondere Merkmale zu identifizieren?

  • Die Nichterfüllung oder Nichteinhaltung Besonderer Merkmale können gravierende Auswirkungen haben. Hersteller haften für Folgeschäden, die durch die Benutzung seiner Produkte entstehen.
  • Besondere Merkmale zu identifizieren ist die Voraussetzung dafür, Risiken zu minimieren, Fehler zu vermeiden und ein „Null-Fehler-Ziel“ erreichen zu können.
  • Je besser Besondere Merkmale im gesamten Herstellprozess identifiziert werden, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Mängeln und Fehlfunktionen kommt. Teure Rückrufaktionen werden vermieden, die zudem dem Image eines Unternehmens schaden.
  • Kommt es dennoch zu einem Schadensfall, müssen Unternehmen gegenüber Behörden und Kunden nachweisen können, welche Maßnahmen sie getroffen haben, damit ein Produkt sicher ist und keine Mängel aufweist. Die empfohlene Archivierung von Besondere Merkmale der Kategorien BM S und BM Z beträgt 15 Jahre, der Kategorie BM F 3 Jahre.
  • Produkte ohne Mängel und Fehlfunktionen sorgen für zufriedene Kunden und eine hohe Reputation, die sich ein höheren Auftrags- und Umsatzzahlen niederschlagen.

Besondere Merkmale mit CAQ-Software einfach ermitteln

Drei Kategorien, vier Stufen und viele Besondere Merkmale: Was sich aufwendig und kompliziert anhört, lässt sich softwaregestützt einfach und übersichtlich handhaben. Gute CAQ-Lösungen unterstützen Sie, Besondere Merkmale zu identifizieren, klassifizieren und dokumentieren.

Fazit

Die VDA-Richtlinie zu Besonderen Merkmalen gibt Unternehmen anhand festgelegter Kriterien und des Vier-Filter-Konzepts praktische Hinweise und Handlungsempfehlungen für die Ermittlung und den Umgang mit Besonderen Merkmalen. Dennoch muss jedes Unternehmen individuell Besondere Merkmale im eigenen Produktionsprozess identifizieren und Maßnahmen ergreifen, um Fehler und Mängel zu vermeiden. Dabei kann eine praxisorientierte CAQ-Software Unternehmen im Aufspüren und bei der Behandlung Besonderer Merkmale effektiv und nachhaltig unterstützen. Das sorgt für mehr Sicherheit, mindert Haftungsrisiken, mündet in einer hohen Produktqualität und führt zu zufriedenen Kunden.

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